Buchkritik:
Die Ministerin – Kein Fall für Carl Brun
Abgründe, die sich nur in der Schweiz auftun können
von Dr. Christoph v. Gamm
Der Autor Frank Jordan entführt den Leser in eine Schweiz der Finanzleute, des Inlandsgeheimdienstes und der Classe Politique. Der Held – Nik Horn – ein erfolgreicher Vermögensverwalter für Großvermögen – stößt nach einer Sauftour in seiner haßgeliebten Heimatstadt Bern auf die Leiche eines Starjournalisten – Bernd Bickler – eine Edelfeder des Wochenblatts. Ebendieser Bickler stellte ihm schon vorher nach. Das macht Horn mulmig.
Auch der Inlandsgeheimdienst um Carl Brun, einem kettenrauchenden, im Wald lebenden Einzelgängerabteilungsleiter mit seinem verschworenen Team ist darauf angesetzt – wenn auch nur als Alibiübung. Denn die Ministerin plant, den militärischen und nichtmilitärischen Geheimdienst zusammenzulegen, es wäre die letzte Aufgabe für Brun und seine Truppe. Was alle nicht ahnen, auch nicht die auf den Fall angesetzte Jez, daß der Fall größere Ausmaße hat – denn Bickler ist auf eine Geschichte gestoßen, die einen ehemaligen albanischen Geheimdienstler und Hitman – nun Halbweltler in der Langstraße – den CEO der SWISS FIRST BANK, Nik Horn und die Ministerin in einem spannenden Plot miteinander zusammenbringt, der tatsächlich die Schweiz, wie man sie jetzt kennt, komplett zerstören würde.
Daß sich der Autor diskret als Teilzeit-Selbstversorger nach Frankreich abgesetzt hat, kann man nach dem Lesen dieses Werks verstehen. Frank Jordan weiß zuviel.
Und bei einem Krimi dieser Art fragt sich der geneigte Leser, der ein wenig mit der Materie vertraut ist immer: ist es authentisch? Könnte es wirklich so gewesen sein? Oder gibt es logische Brüche, hat der Autor vielleicht der Geschichte halber gepatzt – so wie es Agatha Christie sehr gerne gemacht hat, damit sich in den letzten fünf Seiten der Story noch schnell der Miss Marple oder Hercule Poirot eine besseres “Whosdoneit” präsentiert? Nein. Man kan beruhigt sein – er hat nicht. Es hätte sich wirklich so zutragen können – oder noch schlimmer: Die Katastrophe ist theoretisch jederzeit zu einem Bilanzstichpunkt möglich – es reicht, wenn sich ein paar Menschen zusammenrotten und die Zahlen gemeinsam bestmöglich frisieren. Der starke Franken, die schwachen Assets, die Pensionsforderungen, die nicht erfüllt werden können – der Mix ist bereits jetzt da. Insofern ja: Der Kritiker, der bereits 2007 in einem Szenario für einen großen IT Konzern die Finanzkrise in allen Details vorausgesehen hat und eine Empfehlung für Megadeals gegeben hat, ist fest der Überzeugung, daß so eine Story leicht möglich ist. Erst recht ist das in der Schweiz der Fall – denn die kokainistischen, polytoxikomanen Nik Horns dieser Welt, aus dem Seich gekommen, zerfressen von Angst, wieder in den Seich zurückzukehren, die ehrgeizige Globalisierungsministerin, der um Macht gierende und selbstverliebte CEO, die Hintermänner und auch die Riege der Angestellten des Inlandsgeheimdienstes – mit Ecken und Kanten und teilweise gebrochene Gestalten – die Untergrundalbaner an der Langstraße – ja die gibt es wirklich. Und die Schweiz wäre nicht die Schweiz, wenn nicht jeder jeden irgendwie kennen würde und jeder ein Dossier über den anderen versucht zu haben – um sich selbst abzusichern.
Eine sehr spannende Sommerlektüre, die Frank Jordan mit seiner Ministerin – Kein Fall für Carl Brun – fabriziert hat. Eine Kleinigkeit hat es doch auszusetzen: Hat es der Autor oder der Lektor getan – die Namen der Protagonisten sind etwas zu stark für ein deutsches Publikum gewählt – ein wenig mehr Mundart – mehr das Aufprallen zwischen dem schneidend-gemeinen Zürcherisch und dem eher bedächtigen Beamtenbernerisch – das hätte dem Krimi den absoluten Endschliff gegeben.
Die Ministerin – Kein Fall für Carl Brun ist im Lichtschlag Verlag, Reihe Literatur erschienen und kostet € 19,90